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Prof. Gottfried Konecny, der ehemalige Leiter des Instituts für Photogrammetrie und GeoInformation der Leibniz Universität Hannover, ist am Donnerstag, den 25. Juli 2024, im Alter von 94 Jahren friedlich eingeschlafen. Mit ihm verliert die Photogrammetrie und Fernerkundung einen weltweit hochgeachteten und bis ins hohe Alter unermüdlich aktiven brillanten Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager.

Gottfried Konecny war ein Visionär, der sein Fachgebiet in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit maßgeblich geprägt hat und der als europäischer Vater der Fernerkundung gilt. In seinem beruflichen Leben ging es von Anfang an um die nachhaltige Entwicklung unseres Lebensraumes. Gottfried Konecny war daneben auch Praktiker, Manager und Diplomat, der seine Visionen zielstrebig und mit viel Fingerspitzengefühl umzusetzen vermochte. Das visionäre Abstecken großer Ziele zusammen mit der Fähigkeit zur Erreichung dieser Ziele sind wohl das Fundament seiner großen Erfolge.

Gottfried Konecny wurde am 17. Juni 1930 als Kind deutscher Eltern in Troppau geboren, einem ursprünglich mährischen Städtchen mit wechselvoller Geschichte und damals ca. 30.000 Einwohnern, heute Teil der Tschechischen Republik. Seine Jugend in dieser mehrsprachigen Gegend war bestimmt von den Ereignissen vor und während des  zweiten Weltkrieges, gefolgt von Flucht und Vertreibung. Nach dem Krieg fand die Familie in Neumarkt in der Oberpfalz eine neue Heimat. Schon während der Schulzeit machte Gottfried Konecny erste Bekanntschaft mit dem Vermessungswesen, zuerst 1945/46 als Messgehilfe noch in Troppau, danach 1946-1948 am Stadtvermessungsamt in  Neumarkt. Nach dem Schulabschluss 1950 folgte das Studium des Vermessungswesens an der Technischen Universität München. Angeregt durch den damaligen  Professor für Photogrammetrie, Richard Finsterwalder, ging er, ausgestattet mit einem Fulbright-Stipendium, 1954 an die Ohio State University in Columbus. In den USA kam  es zu der für Konecny prägenden Begegnung mit Prof. Fred Doyle, der dort u. a. analytische Photogrammetrie lehrte, auch Prof. Heiskanen zählte zu seinen Lehrern. 1956  erwarb er den Master of Science und kehrte dann nach München zurück, um ein Jahr später die Diplomprüfung abzulegen. Danach holte Prof. Finsterwalder ihn als Assistent  an das Institut für Photogrammetrie und Kartographie, wo er 1959 mit der Dissertation „Aerotriangulation mit Konvergentaufnahmen“ promovierte. Das Messverfahren hat sich  damals zwar nicht durchgesetzt, aber die Beschreibung und wissenschaftliche Bewertung des Verfahrens durch Konecny erfuhr in der Photogrammetrie großes Interesse (Schödlbauer, 2024, persönliche Mitteilung). Heute spielen Konvergentaufnahmen, die mit Pentakameras gewonnen werden, für die Auswertung urbaner Gebiete eine wichtige Rolle.

Nach der Promotion zog es Konecny als Assistent Professor an die University of New Brunswick (UNB) in Fredericton. Er war wesentlich am Aufbau des ersten  englischsprachigen Studienganges im Vermessungswesen in Kanada beteiligt, den er von 1966 an als Full Professor leitete. Bei seinem Abschied war aus den bescheidenen  Anfängen eine der weltweit besten Adressen im Vermessungswesen geworden. 1971 kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm bis zu seiner Emeritierung 1998 die  Leitung des damaligen Instituts für Photogrammetrie und Ingenieurvermessungen (IPI – heute Institut für Photogrammetrie und GeoInformation) der Universität Hannover  (heute Leibniz Universität Hannover). Er führte das Institut im nordamerikanischen Stil, international ausgerichtet und auf eine eher lockere, von Vertrauen, Respekt und  Toleranz gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geprägte Art und Weise. Auch nach seiner Emeritierung stellte er seine Arbeitskraft bis ins hohe Alter in den  Dienst des Instituts und stand mir als Nachfolger stets als erfahrener Ratgeber zur Seite.

Bereits früh wurde Konecny klar, dass die topographische Datenerfassung und - aktualisierung eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung unseres Lebensraumes ist, und dass sie in einem akzeptablen Zeit- und Kostenrahmen nur vom Weltraum aus gelingen kann. Vor diesem Hintergrund ergaben sich sowohl Konecnys methodische Arbeitsgebiete – genannt sei stellvertretend die digitale Bildverarbeitung –als auch die von ihm forcierten instrumentellen Entwicklungen. So verfügte das IPI bereits kurz nach seiner Ankunft in Hannover über den ersten analytischen Plotter in  Deutschland. Zu erwähnen ist auch die Entwicklung des digitalen Korrelators zusammen mit dem Kanadier Gilbert Hobrough; dieser Korrelator war bereits Ende der 70er  Jahre in der Lage, automatisch digitale Geländemodelle zu erzeugen. Daneben wurde Konecny zum Principal Investigator der Metric Camera berufen, der weltweit ersten  photogrammetrischen Weltraumkamera, die 1983 auf dem NASA Space Shuttle flog. Mit Hilfe dieser Mission konnte er den Wert der Weltraumbilder für topographische  Anwendungen experimentell nachweisen. Parallel dazu war er über lange Jahre Sprecher des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs „Fernerkundungsverfahren  an Küsten und Meeren“. Später entwickelte das Institut die weltweit erste digitale photogrammetrische Arbeitsstation, die 1987 auf der Hannover Messe vorgestellt wurde. Bereits 1980 übernahm Konecny zudem die wissenschaftliche Betreuung des  Aufbaus eines digitalen Katasters für den gesamten Staat Kuwait, später war er in ähnlichen Projekten in Dubai und Saudi-Arabien tätig.

Das wissenschaftliche Werk von Gottfried Konecny lässt sich auch anders darstellen: unzählige Publikationen tragen seinen Namen und allein in seiner hannoverschen Zeit hat er 47 Dissertationen und zwei Habilitationen betreut. Damit trug er wesentlich zum wissenschaftlichen Fortschritt und gleichzeitig zu einem Wissenstransfer in die Praxis  bei.

Als Wissenschaftsmanager war Konecny ebenso erfolgreich. Von 1972-1976 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie und Fernerkundung (DGPF), von 1993-1997 Vorsitzender der European Association of Remote Sensing Laboratories (EARSeL). Höhepunkte seines Wirkens als Wissenschaftsmanager waren zweifellos der unter seiner Leitung 1980 in Hamburg organisierte Weltkongress der Internationalen Gesellschaft für Photogrammetrie und Fernerkundung (ISPRS – zu dem Zeitpunkt wurde der von ihm eingebrachte Zusatz „und Fernerkundung“ beschlossen) sowie seine ISPRS Präsidentschaft 1984-1988. Grundlage dieser erfolgreichen Aktivitäten war eine auf Vertrauen aufbauende persönliche Beziehung zu den Kollegen und Gesprächspartnern, in der Verständnis für die Belange des anderen und das Bemühen um Konsens  wichtiger waren als formelle und formale Fragen. Aus diesen Begegnungen erwuchs über die Jahre ein äußerst tragfähiges Netzwerk an Beziehungen, das ihm viele Türen öffnete, die anderen verschlossen blieben.

Auch dem Bereich des Wissenschaftstransfers widmete sich Konecny mit der ihm eigenen Energie. So hat er eine Vielzahl bilateraler Kooperationen mit Universitäten aus aller Welt gepflegt. Ständig hielten sich Gastwissenschaftler zu Forschungs- und Weiterbildungszwecken am IPI auf. Fortbildungskurse, die so genannten Caravan
Workshops, führten Gruppen des IPI mit Konecny an der Spitze in alle Ecken der Erde. Ergebnisse der Reisen flossen immer wieder in die Lehrveranstaltungen in Hannover ein, die auf diese Art stets aktuell und natürlich international ausgerichtet waren.

Als Zeichen der Anerkennung seiner vielfältigen Leistungen wurden Prof. Konecny eine große Anzahl hochrangiger Ehrungen zuteil. So wurde ihm 1990 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen, daneben erhielt er Ehrendoktorwürden von der Nationalen Universität Tucaman (Argentinien), der University of New Brunswick (Kanada), der Anna University (Indien) sowie der Moskauer Staatsuniversität für Geodäsie und Kartographie (Russland) sowie Ehrenprofessuren der Universität Wuhan (China) und der Sibirischen Staatsuniversität für Geosysteme und Technologien in Novosibirsk (Russland). Konecny war seit 1992 Ehrenmitglied der ISPRS sowie verschiedener nationaler photogrammetrischer und kartographischer Vereinigungen, u. a. auch der DGPF.

Möglich gemacht haben all diese Erfolge seine hohe Intelligenz, seine schnelle Auffassungsgabe, sein sprichwörtliches Gedächtnis und das Gespür für das Wesentliche,
gepaart mit Menschlichkeit, enormem Fleiß sowie eisernem Willen und Selbstdisziplin. Visionärer Überblick und Globalität im Denken bei gleichzeitiger Großzügigkeit im Detail, Zielstrebigkeit, Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft im Großen und Gelassenheit im Kleinen, breit gefächerte Neugier auf zukünftige Entwicklungen gepaart mit Verständnis und Interesse an Geschichte und Traditionen, Fingerspitzengefühl, Diplomatie und Respekt vor Menschen an sich und eine gehörige Portion Humor sind die Eigenschaften, die Gottfried Konecny sein gesamtes berufliches Leben lang charakterisiert haben. Kraft für diese Leistungen hat er ganz wesentlich im privaten Bereich gefunden, bei seiner im letzten Jahr verstorbenen Frau, mit der er seit über 50 Jahren verheiratet war sowie bei seinen Kindern und Enkelkindern.

Mit seinem Tod haben wir einen exzellenten Wissenschaftler und außergewöhnlichen Menschen und Menschenfreund verloren. Unsere Gedanken sind bei seinen Kindern und seiner Familie, möge er in Frieden ruhen.

Christian Heipke