Nachruf auf Prof. Dr.-Ing. Uwe Stilla
Prof. Dr.-Ing. Uwe Stilla, bis März 2023 Professor für Photogrammetrie und Fernerkundung an der Technischen Universität München, ist am 10. Mai 2023 nach langer schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren in München verstorben. Mit ihm hat uns ein Freund, Mentor und Kollege viel zu früh verlassen.
Uwe Stilla wurde 1957 in Köln geboren und schloss 1980 ein Studium der Nachrichtentechnik an der Gesamthochschule Paderborn ab. Es folgte bis 1987 ein weiteres Studium, diesmal in Biomedizintechnik, an der Universität Karlsruhe. Anschließend arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biokybernetik und Biomedizinische Technik der Universität Karlsruhe. 1990 wechselte Uwe Stilla an das Forschungsinstitut für Informationsverarbeitung und Mustererkennung (FIM, heute Teil des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung) und promovierte 1993 als externer Doktorand an der Universität Karlsruhe über automatische Bildverarbeitung und Musterkennung. Im April 2004 nahm er den Ruf der Technischen Universität München auf die Professur für Photogrammetrie und Fernerkundung an.
Bereits in seiner Zeit am FIM arbeitete er an einem DFG-Projekt, das sich mit der automatischen Erkennung von Bodenversiegelung in Städten befasste. Sein fachlicher Hintergrund ließ ihn auch das Potential neuer Sensortechniken und -träger sehr früh erkennen. Er war unter den ersten, die den Nutzen von Laserscanning, bildgebendem Radar und Thermalkameras für Zwecke der Photogrammetrie und Fernerkundung untersuchten. Später hatte er im FIM eine Sonderstellung inne: frei von Projektzwängen konnte er innovative Projekte vorantreiben, die auch stark in den akademischen Bereich ausstrahlten.
An der TU München entwickelte er sein Fachgebiet mit einer Vielzahl origineller und gleichzeitig wissenschaftlich fundierter Ideen weiter. Unter anderem fasste er neben den traditionellen Plattformen Messflugzeug oder Satellit schon bald Träger wie Leichtflugzeuge und Fahrzeuge ins Auge, was zu jener Zeit noch ungewöhnlich war. Die Erfassung und das Monitoring von Städten war eines seiner Schwerpunkte. Diese Expertise brachte Uwe Stilla 2014 als Gründungsmitglied des Leonhard Obermeyer Centers (LOC) ein, dem TUM-Forschungszentrum zu digitalen Methoden für die bebaute Umwelt. Gemeinsam mit seinen Kollegen des LOC installierte er unter anderem Kameras an Baukränen, um automatisiert den Baufortschritt mit digitalen Bauwerksmodellen abzugleichen. In den letzten Jahren kamen vermehrt Arbeiten aus den Bereichen automatische Bildanalyse, Computer Vision und künstlicher Intelligenz hinzu. Auch hier war er, ausgehend von seiner Dissertation, einer der Pioniere, die diese Gebiete für Photogrammetrie und Fernerkundung erschlossen. Im Ergebnis ist der Lehrstuhl für Photogrammetrie und Fernerkundung der TUM heute eine der weltweit besten Adressen in diesem Fachgebiet.
Uwe Stilla war von 2008 bis 2013 Prodekan der damaligen Fakultät für Bauingenieur- und Vermessungswesen und zudem von 2005 bis 2016 Studiendekan der fünf geodätischen Studiengänge. Er hatte dabei einen klaren Blick für das Potential junger Talente, die er als wissenschaftlicher Lehrer und Mentor nach Kräften förderte. Für ihn war die Lehre nie lästige Pflicht. Er wollte die Studenten, ebenso wie seine Mitarbeiter, für die Photogrammetrie und Fernerkundung begeistern. Vorlesungen waren stets sehr durchdacht strukturiert und mit vielen anschaulichen Beispielen und Experimenten versehen.
In seinem Wirken als Chef war Uwe Stilla immer der primus inter pares. Er hat nie einen Befehlston angeschlagen, nie jemanden übermäßig kritisiert, wenn etwas nicht klappte (was trotz aller Planung durchaus vorkam). Dann sagte er immer: „Das machen wir beim nächsten Mal besser.“ Die große Anzahl von ihm betreuter erfolgreicher Dissertationen und Habilitationen sowie die Tatsache, dass viele seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter später sehr erfolgreich ihren beruflichen Weg gingen, sei es in der freien Wirtschaft oder im Hochschulbereich, spricht für sich. Vielen darunter blieb er zeitlebens ein väterlicher Freund.
Uwe Stilla engagierte sich auch mit ganzem Herzen im Wissenschaftsmanagement. In der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation (DGPF) wirkte er von 2012 bis 2016 als Vize-Präsident, gefolgt von vier weiteren sehr erfolgreichen Jahren als Präsident. In dieser Zeit wurden wichtige Weichen gestellt, wie etwa der Wechsel der Zeitschrift PFG zum Springer-Verlag sowie eine grundlegende Neustrukturierung der Arbeitskreise. Sein besonderes Augenmerk lag auch hier auf der Nachwuchsförderung, so wurden unter seiner Ägide erstmals 10 ausgewählte Kandidaten für den Karl-Kraus-Nachwuchsförderpreis unter Übernahme aller Spesen zur Jahrestagung eingeladen. Das Weiteren richtete die DGPF das Studentenform ein, welches nunmehr im Nachwuchs-Netzwerk aufgegangen ist. Nicht zuletzt war er Mitgastgeber der gemeinsamen großen Jahreskonferenz PFGK18 von DGPF, Runder Tisch GIS und Deutscher Gesellschaft für Kartographie im Jahr 2018 an der TU München, an die viele von uns gerne zurückdenken. Stilla war u.a. auch Mitglied der Deutschen Geodätischen Kommission (DGK) und der Kommission für Erdmessung und Glaziologie in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Auf internationaler Ebene ist sein Engagement in der Internationalen Gesellschaft für Photogrammetrie und Fernerkundung (ISPRS) hervorzuheben. Er leitete vielfach sehr erfolgreich Arbeitsgruppen für automatische Bilderkennung und -auswertung. Die Konferenzreihe Photogrammetric Image Analysis (PIA) etablierte sich unter seiner Leitung zu einer der führenden Treffpunkte der ISPRS, vor allem, weil sich die wissenschaftliche Qualität der Konferenzbände (und in der Folge der Vorträge) durch die Einführung von double blind review-Verfahren deutlich erhöhte. So war es kein Wunder, dass Uwe Stilla auch den ISPRS Kongress 2016 in Prag durch seine Rolle als Vizepräsident des Internationalen Programmkomitees entscheidend geprägt hat. Für sein langjähriges Engagement durfte er in Prag den Willem Schermerhorn Award der ISPRS entgegennehmen.
Mit über 580 Publikationen hinterlässt Uwe Stilla ein umfassendes wissenschaftliches Werk. Die Liste seiner Best Paper und Best Contribution Awards ist lang, er ist der derzeit meist zitierte Photogrammeter Deutschlands und belegt – obwohl selbst nicht in der Informatik aktiv – auch in dieser weit größeren Nachbardisziplin der Photogrammetrie einen der vorderen Plätze im Zitationsranking.
Nun ist der Lebensweg von Uwe Stilla viel zu früh zu Ende gegangen. Er hat, obwohl von seiner schweren Erkrankung bereits gezeichnet, sein Leben und seine Arbeit nie aufgegeben. Er hat sein Amt bis zum regulären Eintritt in den Ruhestand ausgefüllt und noch bis zuletzt seine Doktoranden zum Abschluss der Dissertation geführt. Wir haben zusammen mit Uwe Stilla bei verschiedenen Anlässen und auf Reisen in die ganze Welt viel Spaß und Freude gehabt und dabei ganz nebenbei viel über das Leben der Füchse gelernt – ein Thema, das ihm seit Kinderbeinen am Herzen lag. Wir hätten Uwe Stilla von Herzen gewünscht, dass er seinen wohlverdienten Ruhestand zusammen mit seiner Frau noch lange hätte genießen können.
Die deutsche und die internationale Photogrammetrie und Fernerkundung verliert mit Uwe Stilla einen hervorragenden Wissenschaftler und großen Förderer nicht nur des wissenschaftlichen Nachwuchses. Wir sind in Gedanken bei seiner Frau und seiner Familie und werden ihn in Dankbarkeit in ehrendem Andenken bewahren, als Weggefährten, als Kollegen, als Mentor und als Freund.
Christian Heipke, Ludwig Hoegner, Thomas H. Kolbe und Uwe Sörgel